Interview mit der Künstlerin
Ute Campo am 23.02.2023
Erste Schritte
mit Ute Campo
am 23. Februar 2023
Es ist leicht, in Kontakt mit Ute Campo zu kommen, an diesem Nachmittag, an dem Frühjahrsblüher schon in den Garten locken, aber noch letzte Fröste angesagt sind, so dass wir in der gemütlichen Küche beim Tee sitzen. Die Sehnsucht nach Licht und Wärme teilen wir mit vielen – Sorgen, Angst und dunkle Gedanken angesichts von Krieg, Tod, Zerstörung, auch Krankheit und Unsicherheit sind allgegenwärtig, besonders an diesem Vortag des russischen Angriffs auf die Ukraine. Nichts scheint die große Not wenden zu können, aber umso notwendiger erscheint es für die Widerstandskraft des Einzelnen, kreisende Gedanken zu begrenzen und Gegenbilder zu schaffen. Wie formulierte schon Martin Luther, so oder ähnlich: Du kannst nichts daran ändern, dass die Vögel des Kummers über deinem Haupt kreisen, aber du kannst verhindern, dass sie Nester in deinem Haar bauen.
Nester – auch daran denken Menschen, die Ute Campo auf der Straße treffen. 2022 hat sie zum ersten Mal ihre Nester in der Ausstellung „Vogel Himmel Neu“ in Gummersbach gezeigt. „Innenleben“ heißt die neue Ausstellung, die EngelsArt am 17. März im Alten Baumwolllager präsentiert.
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Erste Schritte – was ist die Motivation für deine künstlerische Arbeit?
Kunst ist der unmittelbare Ausdruck meiner Selbst ganz ohne Umweg über korrigierende, zensierende oder planende Gedanken. In dem, was ich schaffe, erkenne ich einen Teil von mir – und ich erkenne, dass es gut ist. Dieses Glücksgefühl des gelingenden Ausdrucks ist meine Motivation.
„Innenleben“ meint also meinen Zugang und Umgang mit Kunst, der geprägt ist von dem Wunsch, mir durch die Kunst selbst näher zu kommen. Ich reagiere auf äußere Einflüsse mit intuitiver Malerei, ohne Nachdenken oder die Notwendigkeit, meine Bilder zu erklären. Aus einem inneren Impuls heraus greife ich zu Farben, zu Graphit, Kohle, Asche, Pigmenten oder Pastell. Linien überdecken sich, ergeben ein Geflecht, werden häufig zu einem nestartigen Gebilde. Andere Bilder entstehen, indem ich zunächst eine Frottage von Gräsern anfertige. Die Strukturen, die sich ergeben, arbeite ich weiter aus, lasse mich auch da von meinem Gefühl leiten. So werden überraschende Details, Räume und scheinbar belebte Wesen sichtbar, die zunächst gar nicht angelegt waren.
2. Gibt es von Anfang an ein Ziel? Oder noch besser: Brauchen Wege Ziele?
Der Anfang ist am wichtigsten! Ich brauche Material: Papier, Farben – alles fühlt sich unterschiedlich an, alles lässt sich anders verarbeiten. Mit dem, was ich vorfinde, experimentiere ich. Aus der Bewegung heraus entstehen Bilder, die meine innere Energie aufnehmen und wiedergeben. Dieser Flow, dieser Dialog mit dem Bild treibt mich so lange weiter, bis ich spüre, dass ich fertig bin. In vielen meiner Bilder kann man Nester erkennen, vielleicht auch andere Gefäße aus Lehm oder Sand.
Nester entstehen auch in der Natur durch die Weiterverarbeitung von Material. Vorgefundenes Material erhält durch die Verdichtung eine neue Wertigkeit und eine bedeutende Aufgabe. Federn, Haare, Gräser und Äste werden neu verwoben und erhalten dadurch Halt. Leichtes, flüchtiges, an sich vergängliches Material wächst zu einem Gefäß zusammen, das erstaunlich lange überdauern kann. Tiere nehmen, was sie vorfinden: neben natürlichen Baustoffen auch Kabel, Plastikteile oder Stofffetzen. Auch hier ist das Ergebnis für menschliche Finder oft überraschend und anrührend, von den Tieren aber nicht mit dieser Absicht geplant.
3. Was ist das größte persönliche Vergnügen auf dem Weg?
Im Gegensatz zu den nestbauenden Tieren kann ich mich freuen über die Reaktion der Menschen auf meine Kunst! Meine Bilder berühren Menschen, ohne dass ich genau weiß, warum und ohne dass ich das von vorneherein beabsichtigt habe!
4. Kunst braucht Publikum – welche Rolle spielt der Gedanke an das Publikum bei der Arbeit?
Keine! Meine schöpferische Kraft ist mein Ausdruck und als solcher für mich Bedürfnis. Angesichts der Fülle der Arbeiten wird es aber auch zum Bedürfnis, die Bilder außerhalb meines Ateliers zu zeigen. Natürlich freut es mich sehr, wenn Menschen meine Kunst kaufen wollen oder mir ihre eigenen Werke zum Tausch anbieten. Wenn man mich auf der Straße als Schöpferin meiner Nester erkennt, ist das für mich eine wunderbare Bestätigung: In meiner Kunst finde ich mich wieder.
5. Welche Begegnung war besonders prägend auf dem Weg zur Künstlerin?
Immer wiederkehrend bedeutsam ist mir die Begegnung mit der Natur: Ihre Vielfalt, ihr Einfallsreichtum sind inspirierend und laden ein zum Entdecken oder auch Gestalten. Ich erlebe die Natur mit allen Sinnen, fühle mich angezogen und aufgehoben, finde Orte, die mir das Gefühl von Geborgenheit schenken.
Meine ersten Schritte auf dem Weg zur Künstlerin haben aber immer auch gute Lehrer begleitet: Meine Kunstlehrerin in der Schule, die uns sehr früh für Kunst begeistert hat und mich darin bestärkt hat, mein Talent auszubilden und dann vor allem Professor Joachim Bandau in der PH Aachen, bei dem ich Kunst studiert habe. Von ihm habe ich gelernt, wie fruchtbar das Arbeiten in Serien ist. Durch die vielschichtige Auseinandersetzung mit einem Thema, einem Gegenstand, wird die Kreativität angespornt und weiterentwickelt. Man ist gefordert, immer wieder einen neuen Ansatz zu finden, Dinge neu zu sehen. Das ist eine wertvolle Lektion!
6. Und wie geht es weiter?
Am liebsten ohne Aufhören! Ich möchte freier werden, größer arbeiten! Dazu möchte ich einen größeren Raum finden, der mir größere Formate, Bewegungen, plastisches Arbeiten ermöglicht. Das serielle Arbeiten fordert meine Kreativität am stärksten. Ich will immer weiter in Bewegung bleiben, nicht stehen bleiben!
Ich danke sehr herzlich für ein inspirierendes Gespräch!
Katja Gerlach
Neugierig auf mehr?