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Interview
Stefan Heidtmann
am 04. November 2021

Im Juni war Stefan Heidtmann zuletzt Gast bei EngelsArt – zusammen mit Markus Braun und Marcel Wasserfuhr rockten sie die Bühne als JazzStones Trio Plays The Rolling Stones. Am 12. November freut man sich in Engelskirchen auf eine nächste musikalische Spezialität: Stefan Heidtmann macht Live-Filmmusik zu Buster Keatons Stummfilm-Komödie „Der General“. Der Film spielt in der Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs 1861. Der Lokomotivführer Johnnie Gray kämpft darum, seine von den Nordstaatlern entführte Lokomotive zurückzugewinnen – und ebenso die Liebe seiner angebeteten Annabelle Lee. Der Film ist eine der teuersten Komödien der Stummfilmgeschichte und gilt heute als die beste ihrer Art.

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Um die Vorfreude auf den Abend zu steigern, begeben wir uns auf einen kleinen Gedankenspaziergang, der zu Stationen dieser Aufführungskunst führt.

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Erste Schritte – was war die Motivation zu dem Vorhaben, Stummfilme musikalisch zu begleiten?

Vor etwa 20 Jahren entstand die Idee, alte Filme mit neuer Musik zu begleiten. Damals waren wir zu dritt, und gemeinsam mit Klaus Kugel und Christian Ramond hatten wir eine ganze Reihe von Auftritten im Schauspielhaus in Bergneustadt. Seit dieser Zeit bin ich besonders fasziniert von den Filmen von Buster Keaton, die einen ganz eigenen Charme, eine eigenwillige Komik und eine unglaublich ausgefeilte Dramaturgie haben. Inzwischen begleite ich die Filme alleine am Piano, ganz so, wie es der klassischen Vorgabe entspricht. Dabei will ich aber gerade nicht die alte Filmmusik wieder aufleben lassen, sondern unterlege den Film mit einer Mischung von eigenen Kompositionsversatzstücken, modernen Stilelementen und aktueller Musik. Damit kann ich sehr flexibel auf Stimmungen und Handlungen reagieren. Ich will zeigen, dass man zu alten, aber durchaus zeitlosen Filmen einen neuen Zugang finden kann!

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Ist der Weg dabei das Ziel? Oder gab es von Anfang an einen genauen Plan?

Das Ziel ist schon, meine eigene musikalische Handschrift deutlich zu machen. Als Filmbegleiter sitzt man ja eben nicht im Rampenlicht und wird vom Publikum deutlich weniger wahrgenommen als der Film selbst. Gleichzeitig braucht der Film – nicht nur der Stummfilm – die Musik, um die Handlung voranzutreiben. Man muss natürlich aufpassen, dass man nicht zu starr, zu plakativ agiert – nicht jeder Auftritt braucht eine Fanfare! Im Laufe der Zeit haben sich bei mir eine Fülle an Stilmitteln entwickelt, um das filmische Geschehen umzusetzen. Und es muss weiter Freiräume geben, damit noch Platz für überraschende Entdeckungen, neue Möglichkeiten bleibt. Der Weg zum Ziel ist also nie in Stein gemeißelt!

 

Was war die größte persönliche Überraschung, das größte persönliche Vergnügen auf dem Weg?

Musikalische Überraschungen sind die Momente, wenn in der Improvisation neue Ideen entstehen, häufig im Zusammenspiel mit anderen. Daher sind die Freiräume so wichtig: Sie ermöglichen erst Ideen und Kreativität.

Musikalisches Vergnügen steckt eigentlich schon in jeder Aufführung! Diese Filmbegleitungen machen einfach ungeheuer Spaß! Dabei ist es durchaus eine Herausforderung, die Leinwand im Blick zu behalten – wenigstens aus dem Augenwinkel – und das eigene Spiel zu kontrollieren. Man muss sich selbst die ganze Zeit über in Spannung halten, um wirklich auf das zu reagieren, was der Film zeigt.

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Kunst braucht Publikum – welche Rolle spielt der Gedanke an das Publikum?

Als Musiker stehe ich hier im Dienst der Filmkunst – und ich genieße es, wenn das Publikum an den richtigen Stellen lacht, weil es auch mein Beitrag ist, Spannung oder Komik richtig in Szene zu setzen. Der Film ist ja ein zusätzliches Medium, das mich nicht nur zu einem Handelnden, sondern eben auch zu einem Zuschauer macht. Als solcher teile ich Freud und Leid mit dem Publikum: Ich schätze es sehr, dass die alten Stummfilme schon aus Gründen der Technik nie länger als einundeinhalb Stunden sind – eine perfekte Zeit, um die Aufmerksamkeit zu halten. Und ich liebe eben gute Filme wie die von Buster Keaton!

Wenn das Publikum gelangweilt oder strapaziert ist, liegt das oft an unserer gemeinsamen Einschätzung des Films! Eine überlange Version von „Metropolis“ oder dröge Theaterfilme eignen sich nicht wirklich für einen solchen Kinoabend der besonderen Art. Da bin ich mit dem Publikum auch schon einer Meinung gewesen!

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Welche Begegnung oder welches Ereignis war besonders prägend?

Der Künstler wird motiviert durch sein Publikum! Im Kölner Filmforum NRW gab es sehr gut besuchte Morgen- und Abendveranstaltungen von einer Serie französischer Kriminalfälle, „Les vampires“. Die begeisterte Resonanz hat mich natürlich beflügelt! Inzwischen war ich mit meinen Stummfilm- & Piano-Projekten viel unterwegs: von Göttingen über Mainz bis an die Schweizer Grenze in der Kulturscheune Kleinkems – und natürlich immer wieder gerne in Oberberg.

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Und wie geht es weiter?

Nach dem „General“ bei EngelsArt wird es am 28. November noch den „Kameramann“, auch von Buster Keaton, im Jägerhof in Bergneustadt geben. Weitere Auftrittsmöglichkeiten hier in der Region sind schon angedacht, aber fest steht schon, dass bei EngelsArt einmal im Jahr Stummfilm & Piano aufgeführt werden soll. Das Publikum in Engelskirchen erlebe ich immer wieder als erfrischend lebendig und offen. Darauf freue ich mich schon!

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Ich bedanke mich sehr für das Gespräch!

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Katja Gerlach

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Neugierig geworden? Hier gibt es mehr:

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http://www.stummfilmundpiano.de/Stummfilm_und_Piano/Rabe_Heidtmann.html

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